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Fashion, Food & Identity: BTE-Kongress 2019

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Donnerstag, 11.07.19

Auch 2019 stand als Kernthema des BTE-Kongresses die Frage im Vordergrund, wie sich der Handel lokal und digital profilieren kann. In Zeiten der Digitalisierung gewinnt man den Eindruck als stationäres Unternehmen dem digitalen Wandel nur hinterherlaufen zu können. An das Wissen aus den Datenmengen, welches die GAFAs (Google, Apple, Facebook, Amazon) generieren, kommt man als Einzelkämpfer wohl nicht heran. Ebenso sind häufig die monetären und auch zeitlichen Ressourcen für die Entstehung von eigenen digitalen Großprojekten eingeschränkt. Was ist also zu tun?

Die Redner des Tages erläutern anschaulich wie Sie Ihre Visionen umsetzen, um sich im Handel lokal und auf Ihre Weise digital zu profilieren.

BTE-Präsident Steffen Jost trifft es in seiner Begrüßung sehr gut auf den Punkt als er sagt: „Die größte Herausforderung ist es ‚Nein‘ zu sagen.“ So viele Offerten werden gemacht, wie man sein Unternehmen nun voranbringen kann. Ein ‚Nein‘ zu halbgaren Konzepten, oder „Strohfeuern“ wie er es nennt, gilt es zu erlernen.

Und er hat so Recht damit. Die tollen Möglichkeiten für Händler an Online-Plattformen angebunden zu sein und Online ‚mitmachen‘ zu können, ist eben nur halbgar. Halbgar, wenn man dem Marktpartner zwar Artikeldaten digital über Schnittstellen liefern soll und am besten natürlich in Echtzeit; dafür aber digital ins eigene System keine Aufträge reinbekommt, sondern eine E-Mail pro Auftrag. Optimale Prozesse gehen anders. Hier gilt es wachen Auges zu handeln.

 

Moderator Michael Werner, Chefredakteur der TextilWirtschaft, umreißt zunächst die Kernthemen, die den Handel im Großen und Ganzen und im Kleinen auch aktuell umtreiben: Standorte, Kundenbindung, Sortiment und Food. „Wie baue ich mit meinem Haus ein Gefühl auf, so dass die Kundschaft gerne kommt?“ oder „Wie bekommen wir Personen unter 30 Jahren ins Haus?“ sind nur einige Fragen, die sich Handelsunternehmer stellen.

In Osnabrück sieht Thomas Ganter, L&T Lengermann & Trieschmann, den innerstädtischen Handel als Treffpunkt. Nach 30 Jahren Fokus auf Ware & Sortimente steht bei L&T nun der Kunde im Mittelpunkt. Das Motto „Wir verkaufen Lebensfreude“ wird im Sinne der Customer Centricity ganz auf den Kunden ausgerichtet. Highlights wie ‚die Welle‘, ein Fußball-Cage oder die Markthalle bringen Event-Charakter in die Häuser und bieten eine hohe Aufenthaltsqualität. Klar ist für ihn auch: „Die Kunden wollen digital abgeholt werden.“ In fünf Kernbereichen wird die Digitalisierung bei L&T durchgängig umgesetzt. Optimiert wird damit nicht nur der administrative Bereich mit digitalen Rechnungen. Auch für Mitarbeiter gibt es digitale Tools, wie eine interne Kommunikations-App. Den Kunden begegnen bei L&T mehrere digitale Touchpoints. Digitale Umfrageterminals auf der Fläche liefern der Geschäftsführung Einblicke in die Kundenwünsche. Ein zusätzlicher Kundenservice wird durch eine Kunden-App geboten, mit der die Kunden u. a. eine Tischreservierung in der Markthalle vornehmen können.

Bei Ulrich Gröber, Modehäuser May, stehen Innovation und Erlebnis im Vordergrund der Aktivitäten. Digitalisierung wird in Waldshut-Tiengen schrittweise umgesetzt. Das Thema E-Commerce bleibt dabei außen vor. Klar fokussierte Workshops zu einzelnen Fragestellungen werden zunächst mit Experten und internen Mitarbeitern durchgeführt. Um Einblick zu gewinnen, was die eigenen Kunden wollen, bittet man bei weiteren Treffen Kunden hinzu. Das Einkaufserlebnis auf Kundenseite wird angegangen, indem man an einer ganz besonderen Kundenbindung arbeitet. Dazu werden bestimmte Kundenberater in einer Art Experten-System weiter spezialisiert. Hier werden Tools und Kommunikationsmethoden geschult, bei denen es um den direkten, digitalen Austausch mit den Kunden geht. Der persönliche Kontakt zwischen Mitarbeiter und Kunde steht dabei im Vordergrund.

Dr. Dominik Benner, Outfits24 & Schuhe24, skizziert wie es aktuell im E-Commerce aussieht und zieht drei Konsequenzen für den Handel: 1) Der Handel „muss sich spezialisieren“, selbst mit einem stationären Vollsortiment kann man als stationärer Händler der Online-Konkurrenz nicht entgegenstehen. 2) Ein „Online-Shop ist Vergangenheit“, denn keiner braucht den x-tausendsten Schuh-Online-Shop. Sein Resümee: der „Plattform-Anschluss zählt“. 3) Aus Dr. Benner’s Sicht gilt: „Eigenmarken werden sehr wichtig,“ denn diese sind weder vergleichbar noch austauschbar.

Leerstände und der Wegfall an kleinen Geschäften im niedersächsischen Bassum stellen Michael Maas, Modehaus Maas, vor eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Sein Vortrag beschreibt, wie Gastronomie und zahlreiche Events die Frequenz steigern und Kunden bindet. Neben dem eigenen Gastrobereich ‚Mein Bistro‘ werden in dem Eventloft ‚Gottliebs‘ diverse Events angeboten. Das Loft bietet die Gelegenheit für eigene Veranstaltungen und lässt sich durch die installierte Abtrennmöglichkeit ideal von externen Veranstaltern für Angebote nach Ladenschluss buchen. Zahlreiche In-House-Events wie ein Spieleabend, ein Fashion-Frühstück oder der Glückstag ziehen die Kundschaft zu Maas. Durch die Organisation von ‚Street Food‘ oder ‚Ice Cream‘ Festivals durch das Modehaus sowie das Engagement in eigene Konzepte wie ‚die Weinbar‘, wird die Attraktivität der Innenstadt am Standort Bassum wiederbelebt. Weitere, neue Aktivitäten sind bereits in Planung.

Markus Schwitzke, Schwitzke Graphics, bringt die Kernaufgabe für Handelsunternehmen auf den Punkt. Händler sollen an Ihrer eigenen Identität arbeiten. „Wer sind Sie?“ „Welche Mehrwerte bieten Sie Ihren Kunden?“ „Was ist Ihre Daseinsberechtigung?“ sind Fragen, die sich jeder Händler stellen sollte. Mit der eigenen Identität finde sich der notwendige Anker: 100% Marke. Sie ist die Gelegenheit sich am Markt zu profilieren und Emotionen zu erzeugen. „So gelangt man in die Köpfe der Menschen,“ verspricht er. Eine feste Vision zu haben – gar eine Haltung mit dem ganzen Team einzunehmen – und der Mut in die eigene Marke zu investieren, seien eine Investition in die eigene Frequenz.

In Cham konzentriert sich Helmut Hagner, Handelsgruppe Frey, unterstützt von Kati Wempe, Kati Wempe Consulting, auf das Thema VIP- bzw. Private-Shopping. Dieser ganz spezielle Kundenservice entstand aus dem Gedanken heraus, dass der Kunde im Online-Handel nicht mehr als Mensch wahrgenommen wird. Mit dem Private-Shopping Konzept soll der Kunde direkt und ganz persönlich ‚abgeholt‘ werden. Die Belange des Kunden stehen im Mittelpunkt. Eine separate Lounge kommt bei den Private-Shopping-Terminen zum Einsatz. Dabei geht es inkl. Getränken und Finger-Food ganz um den persönlichen Stil des Kunden. „Das ist unser Business: Menschen zu bekleiden,“ lautet die Schlussfolgerung bei Frey.

Jens Ristedt skizziert das Vorgehen eines BID-Projekts in Bremen, bei dem er selbst hauptverantwortlich engagiert war. Der Auslöser für das Projekt war ein schlecht bespielter öffentlicher Platz in unmittelbarer Nähe des Ristedt City Modehauses. Er schildert das mehrphasige Vorgehen eines ‚Business Improvement District‘ (BID)-Projekts. Hauptaufgabe zu Beginn war es Mitstreiter für ein gemeinsames Handeln mit gleichgerichteten Zielen an einen Tisch zu bekommen. Nach Antragsstellung und Anhörungsverfahren konnten die Veränderungen im Ansgari Quartier von den anliegenden Grundstückseigentümern gemeinsam finanziert und umgesetzt werden. Jens Ristedt zeigt die ersten Erfolge der Anstrengungen der letzten Jahre auf, mit einheitlicher Gestaltung und einladender Atmosphäre, die nun zum Verweilen einlädt. Das BID Nummer drei ist noch bis 2023 in der Umsetzung im Quartier.

Die Vision bei Pier 14 lautet „Wir sind der perfekte Gastgeber“ erklärt Stefan Richter. Die Grundwerte „Herzlichkeit, Professionalität und Begeisterung“ stehen hier für die Identität, die in den an der Ostsee angesiedelten Stores gelebt wird. Über definierte Motivationsprofile findet das Unternehmen die passenden Mitarbeiter. Neben internem Recruiting kommen bei der externen Mitarbeitersuche verschiedene Kanäle zum Einsatz, u. a. auch im Social Media Bereich. Neue Mitarbeiter werden durch ein digitales Onboarding im Unternehmen aufgenommen und damit bei der Einarbeitung unterstützt. Das innovative Storekonzept und hochwertige Produkte unterstreichen und transportieren die Vision bei Pier 14 ebenso zum Kunden hin.

Die Transformation der Henschel-Gruppe schildert Kai Brune für den in Darmstadt ansässigen Händler. Dort wo früher das Sortiment an erster Stelle vor Store Design und Marketing kam, stehen nun die Mitarbeiter. Henschel hat sich anhand von sechs Softskills definiert und folgt ebenfalls einem festen Leitmotiv. Auch die Kernhaltung: „Menschen suchen Menschen“ zieht sich durch die vier Säulen Mitarbeiter, Store Design, Marketing und Sortiment. Die geringe Mitarbeiterfluktuation ist sicherlich den Skills Professionalität, Spaßkultur und zahlreichen Mitarbeiter-Incentives zuzuschreiben. Das Store Design ist mit Investitionen in digitale Elemente, emotionales Ambiente, Gastro- und Pop-Up-Flächen innovativ gestaltet. Das Marketing von Henschel arbeitet authentisch, postet Social Media-Inhalte und spricht die Kunden in über 20 verschiedenen Clustern zielgruppengenau an. Gezielt eingesetzte Events sind dazu da die Kunden zu begeistern und zu überraschen. Für Sortimentsentscheidungen gibt es einen Entscheidungsbaum und eine spezielle Einkäuferin für ‚Schnick Schnack‘, z. B. Dekorationselemente und Accessoires, die das Store Design unterstützen und ebenfalls käuflich erworben werden können.

 

Die Themen Fashion, Food und Identity ziehen sich durch die Vorträge. Es wird deutlich, dass sich jedes Unternehmen klar definiert und ihre Ideen für sich einzigartig umsetzt. Interne Strukturen und Projekte verfolgen die Leitmotive, genauso wie es die nach Außen gerichteten Aktivitäten tun.

Die Referenten haben tiefe Einblicke in Ihre Unternehmen gegeben und sicherlich für viel Inspiration bei den Kollegen aus dem Handel gesorgt. Motivierende Worte entlassen die Zuhörer in ein hoffentlich tatkräftiges Jahr. Zum Beispiel Markus Schwitzke mit seinem Rat: „Mehr Mut. Mehr machen. Weg von konservativem Sicherheitsdenken.“ Kai Brune mit seinen ehrlichen Worten: „Wir machen manches gut und vieles falsch. Aber wir glauben an den stationären Einzelhandel und haben aufgehört zu Jammern.“ Oder wie Steffen Jost so wundervoll formulierte: „Gestalten wir unsere Zukunft selbst. Packen wir es an!“

 

Unsere Lösungen zur Digitalisierung und Prozessoptimierung finden Sie hier: Warenwirtschaft Einzelhandel